Mittwoch, 5. Juli 2023

188 Sternwunden auf der Erde





Wiesbaden - Seit mehr als 4 Milliarden Jahren stürzen immer wieder Stein- oder Eisenbrocken auf die Erde. Der imposanteste von ihnen war vielleicht rund 50 Kilometer groß und schuf in der Antarktis einen fast 500 Kilometer messenden Krater. Viele dieser Himmelskörper rasten mit einem Höllentempo bis zu 70.000 km/h zu unserem „Blauen Planeten“. Teilweise explodierten sie bereits in der Luft. Ein Bolide schlug in Südafrika einen Krater mit maximal 320 Kilometern Durchmesser. Eines der Geschosse aus dem All löschte offenbar durch seinen Treffer in Mexiko vor 66 Millionen Jahren die Dinosaurier aus. Mit diesen und anderen Einschlägen befasst sich das Buch„Meteoriten. Die wichtigsten Funde und Krater“. Es stellt sich die bange Frage, ob sich ein solches Inferno mit Erdbeben, Tsunami, Impaktwinter und Massensterben auch heute ereignen kann. 

Millionen kleiner Himmelskörper – Asteroiden und Meteoroiden genannt – rasen durch unser Sonnensystem. Die größten davon erreichen einen Durchmesser bis zu 1.000 Kilometern, die meisten sind jedoch kleiner. Himmelskörper von unter 1 Kilometer bis zu mehreren 1.000 Kilometern Durchmesser bezeichnet man als Asteroid, Planetoid oder kleiner Planet. Die meisten Asteroiden befinden sich im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Dort sollen mehr als 10 Millionen solcher Gesteinsbrocken umherschwirren.

Das Bruchstück eines Asteroiden, das in die Erdatmosphäre eintaucht, heißt Meteoroid. Beim Eintritt in die Erdatmosphäre erzeugt dieser eine Leuchterscheinung. Ein Himmelskörper, der die Erdoberfläche erreicht hat, wird Meteorit genannt. Laut Duden bezeichnet man das von einem Meteorit geschlagene Loch als Meteorkrater obwohl ein Meteor eigentlich eine Lichterscheinung ist. Für Einschlagkrater (Impaktkrater) auf der Erde hat der amerikanische Geophysiker Robert S. Dietz (1914–1995) in den 1960er Jahren die Bezeichnung Astroblem („Sternwunde“) vorgeschlagen.

Die Mehrzahl der Meteoriten, die heute auf die Erde stürzen, stammen ursprünglich aus dem Asteroidengürtel zwischen den Planeten Mars und Jupiter, wo massenhaft kleine Himmelskörper ihre Bahnen ziehen. Unter den auf der Erde entdeckten Meteoriten kennt man inzwischen auch solche, die vom Mars oder vom Erdmond stammen. Die meisten Meteoriten werden durch Kollisionen von Asteroiden von ihrem Mutterkörper losgeschlagen. Die Zeitspanne zwischen dem Abtrennen vom Mutterkörper und dem Einschlag (Impakt) auf der Erde liegt oft bei einigen Millionen Jahren, kann aber auch mehr als 100 Millionen Jahre betragen. Meteoriten enthalten des älteste Material unseres Sonnensystems, das zusammen mit diesem vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren entstanden ist. Ahnlich altes Material befindet sich in Kometen.

Der Begriff Meteorit ging aus dem altgriechischen Wort metéoros (zu deutsch: emporgehoben, hoch in der Luft) hervor. Bis Mitte des 20 Jahrhunderts bezeichnete man Meteoriten oft als Meteorsteine. Davor sprach man von Aerolith (Luftstein) und Uranolith (Himmelsstein). Anfang der 1990er Jahre ersetzte man den Ausdruck Meteoriten durch die Bezeichnung Meteoroiden. Meteoroiden, die aus dem Sonnensystem stammen, erreichen in der Erdumlaufbahn (Erdorbit) eine maximale Geschwindigkeit bis zu 260.000 Stundenkilometern. Beim Eintritt in die Erdatmosphäre werden Meteoroiden sehr stark abgebremst (bis auf rund 50.000 Stundenkilometer) und erhitzt. Dabei schmelzen sie teilweise bzw. verdampfen. Falls ein Meteorit nur beobachtet wurde, spricht man von einem Fall. Hat man ihn nur gefunden, ist von einem Fund die Rede. 

Dem stärksten Beschuss durch Meteoriten war die Erde im Präkambrium vor etwa 4 Milliarden Jahren ausgesetzt. Weil damals die Erdkruste noch nicht stabil gewesen ist, zerbrach sie gebietsweise immer wieder durch die Einschlagskraft der Meteoriten. Auf der Erde mit einem Durchmesser von mehr als 12.700 Kilometern und einer Oberfläche von 510 Millionen Quadratkilometern sind 188 Meteorkrater geologisch nachgewiesen. Vom kleineren Mars mit einem Durchmesser von knapp 6.800 Kilometern und einer Oberfläche von 144,8 Millionen Quadratkilometern kennt man etwa 300.000 sichtbare und messbare Meteoritenkrater. 

Die Freiburger Geologen Stefan Hergarten und Thomas Kenkmann vermuteten 2015 in den „Earth and Planetary Science Letters“, auf der Erde existierten etwa 340 unbekannte Meteoritenkrater mit einem Durchmesser bis zu 6 Kilometern. Zu diesem Ergebnis gelangten sie mit einer Wahrscheinlichkeitsrechnung, bei der sie berücksichtigten, wie schnell geologische Strukturen auf der Erde erodiernen Nämlich mit rund 0,1 Millimeter pro Jahr. Dies bedeutet, dass auf der Erde Gebirge und Krater etwa tausendmal so schnell verschwinden wie auf dem Mars. Die beiden Freiburger Geologen korrigierten mit ihrer Wahrscheinlichkeitsrechnung frühere Schätzungen, wonach es weltweit noch Tausende unentdeckter Meteoritenkrater geben könnte. Die Wahrscheinlichkeit für Meteoriten-Einschläge ist nach ihrer Ansicht auf der Erde ähnlich groß wie auf den benachbarten Himmelskörpern. Aber irdische Meteoritenkrater verschwinden schneller.